Kuala Lumpur Spore 18.02.2008

BAHNEXPRESS KUALA LUMPUR NACH SPORE

Mit der Bahn von Kuala Lumpur nach Singapore.
Es sollte eine Nostalgie-Reise wie mit dem Orientexpress von Bangkok nach Singapore werden. Wir wollten mittags um 14 Uhr einsteigen und um 21 Uhr in Singapore Hauptbahnhof ankommen. Pünktlich standen wir auf dem neuen großen Bahnhof vor einer Barriere aus dicken Kordeln auf Messingständern , die den Zugang zum Abfahrtsgleis
versperrten. Wir sollten auf das große Ereignis warten. Kurz vor Abfahrt des Zuges erschienen zwei hellblau livrierte Operettenschaffner mit Streifen und Epouletten , Goldschnüre und Orden, wie wir sie in Melakka an der stolzen Brust von Gouverneur und General auf den Photos gesehen hatten, suchten wir vergeblich .Es hätte auch die
musikalische Overture gefehlt Aber die Handlung betraf ja nur uns und die Schaffner der malaysischen Eisenbahn. Nach der großen Geste der Freigabe des Zuganges mit pathetischem Wegrücken der Kordeln, stürzten wir uns mit der Rolltreppe in die Tiefen des Hades der Märchenbahn .Wir rollten unsere Koffer an dem endlosen Express aus alten Zeiten entlang, wuchteten das Gepäck in das Abteil und saßen 1. Klasse in gepolsterten Sesseln und schauten durch drapierte Gardinen auf den leeren Bahnsteig. Der Zug fuhr noch nicht ab. Die zweite, kleinere
Diesellok direkt hinter unserem letzten Waggon brummte zwar mächtig, aber der Gigant aus alter Technik , der den langen Lindwurm sollte, hatte seinen Start-Rhythmus noch nicht gefunden. Eine grüne Fahne wurde geschwenkt und langsam begannen sich die Maschinen zu bewegen in Richtung Singapore.
Der lange Lindwurm wand sich heftig schaukelnd und an den Masten links und rechts Halt suchend, in den alten Schiene quietschend durch die Vorstädte mit den vereinzelten Wohnhochhäusern über den verrosteten Wellblechdächern auf dem aufgewühlten, schmerzhaft verwüsteten Boden. Er fraß sich zwischen endlosen Palmwäldern und
Buschwerk, Reste eines tropischen Urwaldes Hänge hinauf, die man hinter dem bis an die Schiene stehenden Bewuchses nur ahnen konnte , und rollte rüttelnd und schlagend schneller die langen Hänge hinunter.
In großen Abständen bellte es aus einem überschrieenen Lautsprecher über uns- wie wir es aus der Zugreise von Kanton nach Wuhan in den achtziger Jahren her kannten-
Wahrscheinlich etwas über die Strecke und die Stationen. Station war das einige Wort, dass wir erraten konnten .Aber „ Bello“ konnte ja gar nicht sprechen. „Ihr Hund kann ja gar nicht sprechen !“
Der Zug schlich, sich ganz ängstlich vortastend , in eine Bahnhof und blieb lange stehen Er hatte die Verschnaufpause sehr nötig. Nur einige einheimische Fahrgäste stiegen aus und einiger, sehr zur Verwunderung, stiegen auch ein. Der Zug füllte sich bis auf ein Viertel der Sitze.
Dann geschah das Unvermeidliche: Nachdem der Zug ächzend sich gerade wiederaufgerafft hatte, den Bahnhof verlassen hatte und die Spur nach Singapore wieder aufgenommen hatte, versagte der Gigant an der Spitze des Zuges seinen Dienst, und blieb stehen. Das Gerücht flog
durch den ganzen Zug: „ The engine doesn`t run“.
Es waren aber auch zu viele Waggons! Das war eine Zumutung für die alt-verdiente Maschine, die sich ohne Waggons schon so auf den ausgebogenen Schienen vorwärts quälte. Nun war es aus ! Die hintere kleine Diesellok zog den Zug wieder in den Bahnhof zurück . Und da standen wir nun.
Wenn wir vorher beim Einfahren des Zuges in den Bahnhof den hinduistischen Tempel nur kurz mit den Augen streifen konnten, so konnten wir es uns nun überlegen, den Tempel aufzusuchen und ihn richtig zu besichtigen- Wir trauten uns aber nicht !
Niemand sagte etwas. Auch „Bello“ schwieg. Einige Fahrgäste betraten den Bahnsteig, den Türgriff zum Abteil fest in der Hand haltend. Wir fassten uns in Geduld und warteten im Abteil . Die Fahrgäste kramten aus ihren Koffern etwas Essbares und löschten schon vorsorglich ihren Durst. Man wusste ja nicht, was kommen würde- vielleicht gerieten wir jetzt alle in eine Notsituation, eine große Prüfung stand bevor ? Gerade, als die Gedanken ins Abenteuer abglitten, setzte sich der Zug wieder in Bewegung . Der Gigant war genesen, der Lokführer hatte seinen Streik niedergelegt, alles fügte sich wieder im Normalen, zu ganz Gewöhnlichen: nämlich der Reise von Kuala Lumpur nach Singapore.
An den nächsten Bahnhof schlich sich der Zug ganz besonders vorsichtig heran. Er schlug heftig über Weichen. Es zweigten Gleise zu einem parallel liegenden ausrangierten ehemaligen Güterbahnhof ab, erkennbar an den verfallenen Lagerschuppen, dem auf einem verrosteten Stahlgerüst montierten Wassertank für die Dampfloks vergangener Tage. Hier muss ein Umschlagplatz gewesen sein. Für welche Waren ? Was wurde hier angebaut, geerntet oder was aus dem Boden erbeutet ?
Ein gr0ßes grelles Schild weist schon auf dem Bahnhof auf den Golfplatz hin. Was ist da draußen für eine Temperatur ? Ist es so heiß wie am Strand in Pangkor ? Dort hätte man nur in aller Frühe konzentriert spielen können, ohne der Hitzelethargie zu erliegen- oder ist es so kühl, wie in den Cameron-Highlands, wo einem in der Frühe ein Pullover gut tut? An der Kleidung der Menschen, die nichts mit dem Zug zu tun haben, kann man sich eine angenehmen Wärme vorstellen. Die Höhe zwischen den Cameron-Highlands und der Niederung Singapore lässt ein angenehmes Klima erwarten.
Und warum lässt die malaysische Eisenbahngesellschaft uns in einem Eiskeller Bahn fahren ?
Warum machen sie den Zug zu einem Kühlschrank? Alles betteln um etwas mehr Wärme hat nur dazu geführt, dass der Schaffner versprochen hat, die Klimaanlage auf ½ zu stellen. Ober es getan hat, weiß ich nicht. Ich friere nicht mehr in meiner gefütterten Jacke, auf den Knien die Zeitung gelegt und eine Mütze mit großem Schirm auf dem Kopf gegen den eiskalten Wind aus den Düsen an der Decke, die man nicht zustopfen kann. Alles Betteln um Schonung seiner Gesundheit hilft nichts, man muss sich in den Tropen gegen die künstliche Kälte selbst wehren. Man fährt durch die Tropen im Kühlschrank . Das Fleisch bleibt zwar frischer und vergammelt nicht so schnell, vielleicht wird das Altern herausgeschoben, aber man muß mit dem Verlust seiner Gesundheit rechnen. Es wird gehustet, es wird geschnieft, aber niemand – außer unserem Betteln – beschwert sich. Die Malayen sind geduldige Menschen, und wir sind es auch geworden, haben es werden müssen.
Der Zug rollt jetzt schneller, schleift beängstigend an den Schienen, Rad ab, oder runter von den Schienen scheinen die Alternativen !Die Strecke ist Gott-sei-Dank gerade, führt jetzt hinunter in die Ebene des ehemaligen Sumpflandes. Es wird dunkel. Die vorbeiziehenden
erleuchteten Fenster vervielfachen sich, es wird städtischer. Eine große Leuchtreklame kündigt den „ Checkpoint Woodlands“ an, die Grenze zu Singapore ist nahe.
Grenzer durchqueren den Zug, zeichnen in den Pässen die Ausreise aus Malaysia ab.Und dann heißt es aussteigen, mit allem Gepäck. Schnüffelhunde werden durch den Zug geführt, in der Grenzkontrollstele die Pässe mit tiefem Blick in die Augen geprüft, das
Gepäck durchleuchtet, in Stichproben durch Auspacken kontrolliert, gegebenenfalls der Körper abgetastet. Es ist wie auf den Flughäfen. Singapore nimmt die Kontrolle schon an seinen Grenzen sehr ernst. Und das ist beruhigend.Wir dürfen wieder in den Zug einsteigen. Der Lindwurm darf sich seinen Endbahnhof den Highways entlang , an den leuchtenden Hochhäusern vorbei, suchen., den kleinen, etwas
renovierungsbedürftigen ,alten Bahnhof der malaysischen Eisenbahngesellschaft . Er rattert nicht mehr so aufgeregt, tastet sich ganz langsam und vorsichtig an den Schienen entlang und erreicht sein Ziel noch vor Mitternacht mit drei Stunden Verspätung. Die offenen Bahnhofsrestaurants, das heißt die Stühle und Tischchen um das alte
Empfangsgebäude herum voll besetzt, nicht mit Reisenden, offensichtlich mit Malayen, die den Bahnhof aus Heimweh aufsuchen, wie in allen Ländern die Bahnhöfe Endstationen der Sehnsucht sind.. Bahnhöfe bei Nacht!
Am Straßenrand, neben dem abgebrochenen Bürgersteigen, finden wir ein Taxi: Der Taxifahrer weist uns nicht wie die fragenden Fahrgäste vor uns ab, sondern öffnet ohne Auszusteigen per Knopfdruck den Kofferraum , in den wir durch ihn ungestört unsere Koffer hieven können. Er fährt uns wortlos durch die Nacht zum Hotel , öffnet nachdem er das Fahrgeld erhalten hat ohne Auszusteigen den Kofferraum , lässt uns unser Gepäck herausnehmen. Erst als sich vor uns die Automatiktür zum Hotel öffnet, sind wir wieder in Singapore, unserer Stadt.. Die Reise von Kuala Lumpur nach Singapore ist beendet. Wir sine wieder zu Hause in unserer globalisierten Welt