Australien (6)

Reise 2007 - Canberra
Reise 2007 - Canberra
Reise 2007 - Canberra
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Reise 2007 - Canberra

CANBERRA

Sydney hat Fragen aufgeworfen, die nur durch ein Studium der Geschichte Australiens gelöst werden können. Wie ist es möglich gewesen, innerhalb von Jahrzehnten – mit den Anfangs Schritten insgesamt vielleicht zweihundert Jahren- eine solche moderne, pulsierende Weltstadt aufzubauen. Und mit Blick in die Zukunft zu entwickeln ? War es die Kraft aus der Ausbeutung der Strafgefangenen , waren es deren Nachkommen ? Waren es die freiwillig eingewanderten aus allen Erdteilen ? War es die ökonomische Einbindung in den pazifischen Raum ? Waren es ausländische Investoren, etc,etc, etc.?

Erwartungsvoll stiegen wir in Katoomba nach zwei herrlichen Tagen in den Blue Mountains in den Zug nach Canberra: Wie muss erst die Kapitale des großen Landes Australien aussehen, wenn die Provinzmetropolen zu solch blühenden Weltstädten geworden sind ? Der Hotelier in der Rezeption im Three- Sister-Hotel hatte nur gespottet, als wir sagten, dass wir nach Canberra fahren : Was wollen Sie da ? Da ist Nichts.
Am Bahnhof in Canberra angekommen, waren wir überrascht, in einem renovierungsbedürftigen Provinzbahnhof angekommen zu sein. Ohne Informationsstand, ohne Zimmervermittlung . Dass die Eisenbahnlinie nicht die bevorzugte Verbindung nach Canberra ist, haben wir bei der Bahnfahrt bemerkt . Der Zug ließ sich sehr viel Zeit; zuckelte enge Kurven und tastete sich vorsichtig an Baustellen vorbei.
Die Verspätung war wohl schon einkalkuliert., aber wir haben die Fahrt genossen mit dem herrlichen Blick in die Landschaft..
Der Himmel bezog sich und ließ nichts Gutes erwarten, es begann zu nieseln, und wir standen auf dem Bahnhofsvorplatz, d.h. am Straßenrand einer Strasse, auf der ein Bus die Leute einsammelte, die in die Umgebung weiterfahren wollten .Ein Bus in die wohl noch ferne Stadt , die es ja geben musste, eine Kapitale eines sehr großen Landes, war wohl eben gerade abgefahren. Wann ein nächster Bus fahren würde, war nicht auszumachen. Der Fahrplan zeigte nur Fahrten bis mittags und dann erst wieder abends einen einzigen Bus an.
Ein Taxifahrer hatte sich zum Bahnhof verirrt, nahm uns auf und fuhr uns über überdimensionierte breite Straßen mit vereinzelter Bebauung vornehmlich an Ecken, über kreisförmige Auf- und Abfahrten zur weitgespannten Brücke in die City, und setzte uns vor einer Budget-Accommodation ab. Das Hotel gegenüber war uns zu teuer und wir rollten weiter um die Ecken in eine Fußgängerzone, und ich wartete vor dem City-Center einer Kleinstadt, bis Karina ein akzeptables Hotel gefunden hatte., an der Hauptachse mit großem Mittelstreifen , die Achse, die diese Stadt mit dem Regierungsviertel jenseits des Wassers verbindet .Auf dem Stadtplan ist alles weltstädtisch großartig angelegt mit doppelspurigen Achsen und breiten grünen Mittelstreifen und vielen Autobahnzu- und -abfahrten. .An den Achsen moderne unspektakuläre Geschossbauten. Was ist das für eine Stadt? Eine Kapitale ? Wir werden es morgen sehen !

Es wurde ein Sonntag Morgen voller Schrecken ! Ganz früh am Morgen war ich durchgefroren aufgewacht. Trotzdem die Klimaanlage abgestellt worden war, hatten sich die arktischen Temperaturen im Raum gehalten , und erst nach dem heißen Bade in der komfortabel großen Wanne erwachten die Lebensgeister , und wir freuten uns auf das warme outback an diesem sonnigen Morgen.
Eiskalt pfiff uns der Wind ins Gesicht und wir fuhren ganz schnell wieder auf unser Zimmer und kleideten uns mit der eigentlich zur indoor Kleidung erklärten, jetzt zur outdoor Kleidung rückfunktioniert , an. Und dann stiefelten wir wie gewohnt der Karte nach Richtung Nationalmuseum über zu breit angelegte Straßen ohne Bürgersteige, durchquerten grüne weite Abstandsflächen zwischen den weit auseinandergestellten Gebäuden. Eine autogerechte Stadt nach Reißbrettzeichnung, im verkehrten Maßstab realisiert- maßstabslos, wie man sagt.
Wir suchten das Ufer des neuen Stausees zu erreichen, überquerten Fußgängerbrücken über Autobahnen und fanden uns auf einem offensichtlich von Touristen- wer geht hier sonst schon zu Fuß? - ausgetretenen Trampelpfad, der uns zum Museum führte. Wieder betraten wir diese angekündigte Attraktion von der unattraktiven Rückseite, fanden den Haupteingang an der langen Wand langschleichend und standen in einer gerümpelpostmodernen dekonstruktivistischen und sonst wie Architektur. Einfach schrecklich ! Eine voluminöse Gebäudeanlage gegen jeden Formwillen gebaut, aggressiv alle Proportionen zerstörend. Eine zentrale Halle zwischen Omnibusbahnhof innen und Flugzeughangar außen , verhunste Details. Einfach schrecklich. Ist wohl modern gemeint, jedenfalls ist diese Gebäudeanlage ganz anders als alles bisher Gesehene. Der Inhalt des Museums hilflose Suche nach einer Geschichte, große Abteilung Aborigines, alte Autos, Traktoren der ersten Stunde, Jeep, mit dem Büffel gejagt worden sind, Hausrat, alte Photos und aufgemopste Geschichten, mit denen Geschichte suggeriert werden soll.
Wir flohen ins Freie und machten uns auf dem Trampelpfad auf den Weg um den See herum über die kolossale Brücke , klemmten uns an vorbeiflitzenden Fahrrädern an das Geländer und erreichten die Regierungsseite. Vorbei an einem faschistisch pazifischen –vielleicht nordvietnamesischen- Gebäude der Nationalbibliothek , gingen die Fußgängerallee unter Eichenbäumen am Ufer entlang – ein herrlicher Spaziergang ohne Autos und Fahrräderbelästigung und landeten auf der Terrasse vor dem Museum für Technik. Kinder, eine Menge lustiger Kinder spielt mit der großen Granitkugel, die sich ganz leicht mit Kinderkraft im Wasser bewegen lässt, die Kinder schlugen mit Klöppeln auf ein großes Xylophon – hier war Leben ! Wie viel wird in den Museen und den staatlichen Einrichtungen für die Kinder getan. Sie sind die Zukunft, und für die Zukunft wird Alles getan!

Wir rafften uns auf , unser Pflichtprogramm zu erfüllen und suchten das alte Parlamentsgebäude auf. Welch eine Überraschung ! Das Parlamentsgebäude ist so verlassen worden, wie es bis zum letzten Tage genutzt worden ist. Liebevoll sind Details erhalten, werden Geschichten mit einzelnen Abgeordneten erzählt , mit Photos dokumentiert, eine lebendige Welt der politischen Geschichte Australiens ! Ergänzt wird diese Museumsausstellung durch eine Portraitgalerie berühmter Australier, Schriftsteller, Musiker, Banker, erfolgreiche Geschäftsleute, sozial engagierte Bürger, Aborigines, Weiße, Farbige , - alles, was jemals Bedeutung im australischen Leben gehabt hat, und natürlich alle berühmten Sportler ! Ein ganz lebendiges und auch für Fremde interessantes Erlebnis.
So ist es richtig: Die eigene Geschichte, die Geschichten des eigenen Australiens erzählen, die sich dann zur Geschichte verdichten werden !

Und nun auf , in das Neue Parlamentsgebäude unter dem Grasdach, wo die jetzige Geschichte, die Geschichte der Zukunft geschrieben wird : Wir verließen des noble, weiße Haus der australischen Geschichte, ganz positiv gestimmt, und näherten uns voller Erwartung dem neuen Parlamentsgebäude. Was mag Politiker bewogen haben, sich in einem riesigen Bunker, über dem eine Omnibusgroße Fahne auf einem Monstrum von Mast weht, zu verschanzen ? Die Fassade mit großen Öffnungen ist nur eine vorgesetzte Kolonade , dahinter verbergen sich Schießscharten mit schusssicherem Glas. Aus den seitlichen Löchern unter dem Grasdach – bombensicher ! – meint man, Kanonen blitzen zu sehen .. Das ganze Areal durch dicke Mauern mit gestuften Schusslöchern versehen, abgeschirmt. Rundherum ein freier Rayongürtel, gepflastert ,gekiest , Wasserflächen vergittert. Vor wem haben die Entscheidenden solche Angst? Sind sie Diktatoren, die das Volk fürchten ? Regieren sie gegen das Volk ? So wie die Könige und Kaiser, die ihre Pfalzen außerhalb der Städte bauten und ihre Paläste gegen Feinde sicherten und das Volk meinten ? Wer ist denn auf die Idee gekommen, Regierungsviertel und Stadt durch einen künstlichen Stausee zu trennen ? Was bedeutet Demokratie in diesem Lande ? Volksnähe wohl nicht !
Es schleicht sich wieder der entsetzliche Gedanke von Gewaltherrschaft, der mich in Museum für Geschichte in Sydney befiel, ein .
Das Innere des Gebäudes ist voller Detailfehler und ohne Ausstrahlung . Wie schön wirkten die Holzarbeiten im alten Parlamentsgebäude, wie einfach waren die Proportionen der Räume, wie gestaltet und herrlich abgenutzt die alten Ledermöbel.
Wir fuhren auf die Dachterrassen und standen auf der Erddeckung dieses großen Bunkers ,blickten über die zerstückelte autogerechte Stadt Canberra- und beschlossen , abzureisen. Wir machten uns wieder auf den Weg durch die grünen Abstandsflächen, wurden unterwegs belohnt mit der Besichtigungsmöglichkeit des alten Parlamentsgartens, Rosenstöcke, von einem Sekretär, dem eine besondere Stele gewidmet ist, gestiftet und gepflanzt. Wieder im Hotel angekommen, waren wir erleichtert, hatten noch die Rückseite des Theaters an der großen Hauptavenue gesehen, und nun war Schluss- kein Canberra mehr! Wie schön ist Sydney in seiner Urbanität, seinem weiten fußläufig besonders interessant gestalteten Darling Harbour und denvoll Leben sprühenden Strassen und Parks der Innenstadt, seine Hochhausarchitektur und natürlich seinem wunderbaren Utzon !
Schnell noch die Abeise organisiert. Ab nach Melbourne ! Zug,Flug,Bus? Der Zug ist nicht zu erreichen, es gibt keine direkte Gleisanbindung. Man müsste mit dem Bus bis zu einer Anschlussstelle anfahren,
-also viel zu kompliziert, gestorben ! Fliegen wollen wir nicht, wir wollen etwas von der Landschaft erleben. Also bleibt uns der Bus, unser Greyhound. Das ist der Anschluss der Kapitale Australiens an die Welt! Der große Schrecken kommt noch mal zum Schluss: Beim Einchecken des Greyhounds erfährt Karina, dass gestern die Uhrzeit um eine Stunde zurückgestellt worden ist ( Winter/Sommer ) . Wir hätten morgen den Bus verpasst und noch weiter in Canberra bleiben müssen .
-Unsere Art zu Reisen ist schon aufregend ! Aber schön aufregend- most exiting !